Neustart mit Rücksicht auf Tradition
EULERSDORF/ENGELROD - Es tut sich etwas am Ortsausgang von Engelrod. Noch ist das Schaufenster der ehemaligen Metzgerei Lang in der Hörgenauer Straße verhangen. Aber ein Schild verkündet die baldige Neueröffnung. Am Dienstag, 1. Juni, wollen die beiden Eulersdorfer Luisa und Jan Becker hier ihre Vulkan-Metzgerei eröffnen. Und nicht nur in Lautertal gibt es bald wieder regionale Fleischspezialitäten - auch in der Ulrichsteiner Marktstraße haben die beiden am Freitag eine Vulkan-Metzgerei-Filiale eröffnet.
Die Vorbereitungen laufen derzeit auf Hochtouren, um in die seit fünf Monaten leer stehende Metzgerei Lang wieder Leben zu bringen. Und die Vorbereitungen bleiben nicht unbemerkt. "Immer mal wieder bremsen die Autos auf der Hörgenauer Straße ab, um kurz zu schauen, was sich hier tut", lächelt Jan Becker. Und wenn in einem Dorf ein neues Einzelhandelsgeschäft öffnet, insbesondere eines, dass Lebensmittel verkauft, ist das für Engelrod, das im März 2019 bereits "Tinas Lädchen" verloren hatte, und auch für die Gemeinde Lautertal eine gute Nachricht. In der Gemeinde gibt es seit dem Ende des Lädchens kein Lebensmittelgeschäft mehr.
Qualitativ hochwertige Fleisch- und Wurstwaren aus der Region - aus eigener Schlachtung - soll es hier ab Juni geben. Für die Engelröder Metzgerei hält das Ehepaar Becker vor Ort rund 25 Schweine. Das Tierwohl sei ihnen wichtig, versichert Luisa Becker. So können sich die Tiere frei im Stall bewegen und haben auch Zugang zu Spielzeugen. "Mittelfristig wollen wir den Tierbestand verringern", erklärt Jan Becker. "Bei uns soll nun alles aus einer Hand kommen. Von der Besamung der Tiere, der Geburt über die Aufzucht und die Mast bis hin zur Schlachtung und Verarbeitung machen wir alles selbst", versichern die beiden.
Luisa und Jan Becker betreiben seit einigen Jahren den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb im Grebenauer Stadtteil Eulersdorf. "Wir halten Muttersauen, ziehen die geborenen Ferkel auf, bis sie das Schlachtgewicht erreicht haben. Die Tiere erhalten das selbst angebaute Getreide, wodurch wir die Qualität des Fleisches deutlich verbessern und uns somit bekannt ist, was in der Futterration drin steckt. Darüber hinaus haben wir eine Handvoll Rinder, die bei uns fast ganzjährig draußen auf der Weide grasen", erläutert Luisa Becker. Ehemann Jan ist gelernter Fleischer und hat schon immer den Wunsch gehabt, seine eigenen Produkte herzustellen und in der eigenen Metzgerei zu verkaufen. Im August 2020 ergab sich die Möglichkeit, von einem langjährigen Freund der beiden, Thomas Obenhack aus Willofs, das Verkaufsauto zu übernehmen. "Nachdem Jan einige Zeit mitgefahren ist, um die Kunden kennenzulernen, betreiben wir seit Oktober 2020 das Verkaufsauto selbst", erklärt die 28-Jährige weiter. Dadurch war es Jan Becker möglich, seinen Traum - zumindest ein Stück weit - auszuleben, da die beiden verschiedene Touren und Märkte von Mittwoch bis Samstag anfahren. Dazu zählt übrigens unter anderem auch der Lauterbacher Markt jeden Donnerstag. "Uns ist es wichtig, die Regionalität des Fleisches zu fördern. Uns ist es ein Graus zu sehen, dass Schlachttiere unzählige Kilometer transportiert werden müssen, irgendwo verarbeitet werden, um dann über mehrere Kanäle zum Endkunden zurückzukommen", sagt Luisa Becker. Mit der ehemaligen Metzgerei Lang tat sich nun Anfang 2021 eine Chance auf, den Traum von der eigenen Metzgerei wahr werden zu lassen. Der langjährige Betreiber der Metzgerei in Engelrod, Herbert Lang, war im vergangenen November verstorben. Bis Anfang Januar erfolgte nur noch ein Abverkauf der restlichen Waren an die Kunden und langjährigen Vertriebspartner. "Seiner Witwe war es wichtig, dass das Lebenswerk ihres Mannes, welcher immer sehr viel Mühe und Anstrengung darin investierte, weitergeführt wird", erklärt die Grebenauer Landwirtin. Die Beckers und die Witwe von Herbert Lang verstanden sich gut, und schnell war man sich einig darüber, die leer stehende Metzgerei Lang - zu der auch die Filiale in Ulrichstein zählt - wiederzubeleben. Davon profitiert nicht nur die gewerbliche Infrastruktur des Dorfes, sondern ganz direkt auch die ehemaligen Mitarbeiter der Langs. "Wir haben die Mitarbeiter - vier Metzger und drei Verkäuferinnen - übernommen", berichtet Jan Becker. Gleiches gilt übrigens auch für die Lang´schen Rezepturen, etwa die für die über die Grenzen Engelrods hinaus bekannte Cervelatwurst, die rund 2,5 Kilogramm wiegt und bereits wieder im Schaufenster hängt. Aber auch die Produkte der eigenen kulinarischen Ideen sollen künftig über die Ladentheken in Engelrod und Ulrichstein sowie der Vertriebspartner gehen. Die Kunden dürfen gespannt sein. Zum Sortiment sollen nicht nur Wurst und Fleischwaren aus Schweine- und Rindfleisch zählen, sondern auch der Verkauf von frischen Eiern von Wiesenhühnern, Geflügelfleisch sowie Honig aus eigenen Bienenvölkern. Auch der Aufbau eines Catering-Services ist in Planung. Aber zunächst steht jetzt erst einmal die Eröffnung der Vulkan-Metzgerei an. "Der Betrieb Lang hat immer hohes Ansehen gehabt durch die hochwertige Qualität seiner Produkte. Daran knüpfen wir an und bauen darauf auch auf", versichern die Beckers.
Quelle: Oberhessische Zeitung https://www.oberhessische-zeitung.de/lokales/vogelsbergkreis/grebenau/neustart-mit-rucksicht-auf-tradition_23788101