Grebenau schafft Straßenausbaubeiträge ab
Grebenau. Die Straßenbeitragssatzung der Stadt Grebenau wird zum 1. Oktober 2020 aufgehoben. Das haben die Stadtverordneten am Mittwochabend in der Johanniterhalle in Grebenau vor ungewöhnlich großem Publikum mit großer Mehrheit und lediglich einer Enthaltung beschlossen. Allerdings muss der Magistrat bis zum 20. September ein Konzept zur Refinanzierung erarbeiten und dem Haupt- und Finanzausschuss (HfA) vorstellen. Welche Mehrbelastungen somit auf Grebenaus Bürger zukommen, ist derzeit noch völlig ungewiss.
Obwohl sich im Vorfeld der Sitzung alle Fraktionen kurzfristig für einen gemeinsamen Eilantrag entschieden und somit ihre eigenen zurückgezogen hatten, entwickelte sich eine teils hitzige Debatte. Bevor diese überhaupt starten konnte, mussten in Summe sechs Stadtverordnete und Magistratsmitglieder den Sitzungssaal wegen Widerstreits der Interessen verlassen. Noch geradeso war die Beschlussfähigkeit gegeben.
Gerhard Agel eröffnete dann die Debatte für die SPD. Er stellte voran, dass die Koalition aus Freien Wählern und CDU erst aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht sei, als die SPD und Gründchenliste (GL) mit ihrem Antrag zur Abschaffung vorgeprescht sei. "Die SPD/GL hat das Original vorgelegt", betonte Agel. Im Anschluss begründete er die Abschaffung damit, dass Straßenbeiträge nicht nur ungerecht, sondern in einigen Fällen existenzbedrohend seien. "Sie belasten gerade Hauseigentümer in ländlichen Regionen - wie zum Beispiel bei uns, wo die Grundstücke in den vielen kleinen Dörfern größer sind als in Ballungsgebieten. Sie sind ein echter Standortnachteil für unsere Region, der beseitigt werden muss." Der momentane Zustand sei in seiner Ungerechtigkeit unerträglich und habe damit schon viele Kommunen zum Umdenken gebracht.
FW-Fraktionsvorsitzende Renate Hermann entgegnete Agel, dass es um den gemeinsamen Antrag gehen sollte. Agels Vorgänger Patrick Krug habe immer gesagt, dass man bei solch einem Thema gemeinsam an einem Strang ziehen müsse. Das Problem an dem Antrag der SPD/GL sei gewesen, dass dieser die notwendige Gegenfinanzierung nicht berücksichtigt habe. Daher habe die FW/CDU zunächst mit einem eigenen reagiert. Agels Begründung, warum Straßenbeiträge abgeschafft werden sollten, sei nichts hinzuzufügen. Ein Problem für die Freien Wähler bleibe jedoch die Ungerechtigkeit für diejenigen, die in den vergangenen Jahren bereits hohe Beiträge zahlen mussten. Daher seien eigentlich wiederkehrende Straßenbeiträge die fairste Lösung, aber aufgrund des bürokratischen Aufwandes schlicht nicht praktikabel. Den Grebenauer Bürgern seien Straßenbeiträge mittlerweile nicht mehr vermittelbar, weil die Nachbarkommunen diese bereits abgeschafft hätten. Für die CDU argumentiert Harald Weppler: "Ich finde das ungerecht gegenüber allen, die bereits bezahlt haben. Ich kann daher der Abschaffung erst zu 100 Prozent zustimmen, wenn wir diese entschädigen." Daher werde er sich bei der Abstimmung enthalten. Es müsse eine für alle gerechte Entscheidung getroffen werden. Der Fraktionsvorsitzende der Gründchenliste Erhard Spohr betonte: "Es ist ein guter Tag für den Bürger. Keiner muss sich mehr Gedanken machen, fünfstellige Beiträge zu zahlen." Es gebe keine andere Lösung als die Abschaffung, auch wenn es eben nur die zweitbeste Lösung sei. Das Land Hessen hätte die Beiträge abschaffen und die Kosten übernehmen müssen. So werde das Stadt-Land-Gefälle immer größer. In dasselbe Horn blies Bürgermeister Lars Wicke (FW): Im kommunalen Finanzausgleich sei ein Frankfurter Bürger 1,3 Punkte wert, während ein Grebenauer mit einem Wert von 1,03 zu Buche schlage. Diese Werte gingen auf ein Gesetz aus dem Jahr 1935 zurück. Die Begründung sei damals gewesen, dass die Ballungsgebiete Straßen und Kanalisation unterhalten mussten, während es zu dieser Zeit auf dem Land keine befestigten Straßen und keinen Kanal gab. Dieses Gesetz sei komplett überholt und benachteilige Bürger auf dem Land, die auf wenige Einwohner gerechnet ein viel größeres Straßen- und Wassernetz unterhalten müssten. "Es ist nicht alles Friede, Freude Eierkuchen", fügte Klaus Krug (GL) an. Jetzt müsse eine Gegenfinanzierung gefunden werden, die allen gerecht werde, aber es sei unmöglich, allen gerecht zu werden. Rüdiger Schwalm (FW) stellte fest, dass jetzt über einen gemeinsamen Antrag mehr diskutiert werde, als wenn sich die Fraktionen uneins seien. Er räume zwar ein, dass die SPD/GL wieder den Ball ins Spiel gebracht habe, aber eben nicht die Gegenfinanzierung berücksichtige. Die Abschaffung sei der einzig richtige Schritt. Er selbst hätte gerne wiederkehrende Straßenbeiträge gesehen, die aber nicht umzusetzen seien. Somit bleibe als einzige praktikable Lösung die Erhöhung der Grundsteuer zur Gegenfinanzierung. Wie während und am Rande der Sitzung zu erfahren war, ist dies jedoch das Dilemma der FW/CDU-Fraktion. Derzeit gebe es keine gesetzliche Regelung, wie man diejenigen entschädigen könne, die in jüngster Zeit hohe Beiträge gezahlt haben und demnächst wohl durch höhere Grundsteuern andere Straßen mitfinanzieren müssen. Dem Magistrat bleiben nun zweieinhalb Wochen, um die Gegenfinanzierung auf die Beine zu stellen und dabei auch die Bürger im Blick zu behalten, die bereits teils sehr hohe Straßenbeiträge bezahlt haben.
Quelle: Oberhessische Zeitung https://www.oberhessische-zeitung.de/lokales/vogelsbergkreis/grebenau/grebenau-schafft-strassenausbaubeitrage-ab_22200313